Sportlich singen

Dieser Tage wird ja viel diskutiert über die Fußball-WM, Partynationalismus und deren Auswirkungen. Ich hatte da vor Wochen schonmal ein Zitat aus einem Text, der beim Kraftfuttermischwerk im Beitrag Alle (zwei) Jahre wieder: die Deutschen und ihre Fähnchen verlinkt war, in einem geschlossen, kommerziellen sozialen Netzwerk herausgehoben:

In meiner Wunschwelt, hätten andere Länder sich im Umgang mit Flaggen und Co der deutschen Mentalität vor 2006 angenähert. Eine Abkehr von Kollektivritualen, die immer andere Menschen ausschließen. Weg von Düsenjets, die Landesfarben versprühen und militaristischer Folklore und dem enthusiastischen Kreisen um sich selbst. Hin zu einer weltoffenen Gesellschaft, in der deine Herkunft keine Rolle mehr spielt. Da war Deutschland geschichtsbedungen mal weiter und entspannter. Mir gefiel das. Mir hätte gefallen, wenn das auch anderorts runtergeschraubt worden wäre.1

Unabhängig davon rollt jetzt heute aber noch das sogenannte #gauchogate durch mindestens Twitter und dazu möchte ich einen Teilaspekt nochmal aufgreifen. An diversen Stellen im Netz habe ich gelesen, dass Schmähgesänge dazu gehören würden und dass in den Fankurven von Fußballstadien noch viel schlimmeres zu hören wäre und dass das ja alles nicht so schlimm sei. Das denke ich nicht und darum geht es jetzt hier.

Seit mehr als zwanzig Jahren mache ich selbst Sport. Fast fünfzehn Jahre davon habe ich Handball gespielt, etwa sieben Jahre davon in Magdeburg beim Unisport. Ich werde dieses Jahr voraussichtlich meinen fünfzehnten Jedermannzehnkampf bestreiten und seit ungefähr fünf Jahren bin ich oft bei Wettkämpfen im Sportklettern und Bouldern dabei, als Teilnehmer.

Auch wenn es dabei nicht um die Weltmeisterschaft ging, nicht mal um irgendeinen namhaften Titel, so waren doch die Sportler immer ehrgeizig am Start und haben ihr bestes gegeben, fair, im Wettkampf, ohne sich etwas zu schenken. Der entscheidende Punkt: das geht alles ohne Schmähgesang, ohne den sogenannten Gegner zu verhöhnen, ohne militärische Vergleiche oder irgendeine Art von Herabwürdigung der anderen Teilnehmer oder der anderen Mannschaft. Warum auch nicht? Es ist Sport, es macht Spaß sich in seiner Leistung zu messen, es ist saugeil zu gewinnen und man darf sich selbstverständlich auch freuen. Auf diese Weise habe ich während des ganzen Fußball-WM-Turniers auch die deutsche Fußballnationalmannschaft wahrgenommen, als faire Sportler, die es nicht nötig haben, sich über die anderen Mannschaften zu erheben sondern im Gegenteil auch bei einem 7:1 gegen Brasilien sich ‘nen Kopf machen, wie das denn so bei den Brasilianern jetzt angekommen ist.

Was mir stinkt ist, dieses »gehört doch dazu« und das Schulterzucken bei »ist doch normal«, wenn Fans allen anderen außer der “eigenen” Mannschaft die Pest an den Hals wünschen. Das ist unsportlich und unfair, seitens der Fans. Das hat mit Interesse am Sport nichts zu tun, nichts mit der Anerkennung für schöne Pässe, gute Taktik, tolle Tore. Es gab derartige Spiele bei dieser WM, wo man in den Genuß großartiger sportlicher Leistung kam, aber man kann eben diese auch würdigen, ohne Diffamierung des Gegners. Das geht, wirklich, ich habe das selbst erlebt in vielen sportlichen Wettkämpfen, an denen ich teilgenommen habe. Dass man sich trotz eines ernsthaften Wettkampfes und eines eindeutigen Siegers, mit den anderen Sportlern freut und keine Schmähgesänge anstimmt. Einfach so, des Sports und das Spaßes wegen, den man ohne den Kontrahenten gar nicht hätte. Warum dann also nicht auch im Fußball?

  1. Schlanderia you suck []