Archiv der Jugendkulturen retten

In Berlin gibt es das Archiv der Jugendkulturen. Sagt vielen sicher erstmal nichts, ist aber eine spannende Sache. Die Mitarbeiter des Vereins sammeln und archivieren ganz viele Zeugnisse der Kultur der Jugend, sowas wie Bücher, Zeitschriften, Fanmagazine und so Sachen. Da dreht sich sehr viel um Musik, aber auch andere Dinge sind dabei. Man kann da hingehen und sich das alles angucken und durchstöbern, insbesondere für Studenten kulturwissenschaftlicher Fächer ist das auch eine schier unerschöpfliche Quelle an Wissen. Aber die Leute gehen auch raus und machen Workshops und ähnliche Sachen in Schulen. Viel besser beschrieben ist das alles auf der Seite des Vereins: jugendkulturen.de.

Warum erzähle ich das? Nun der Verein ist seit Jahren auf seine Mitarbeiter angewiesen, die sehr viel Engagement aber auch Geld in das Projekt stecken. Es gibt aber keine geregelte Grundfinanzierung oder Förderung. Da die Existenz des europaweit einmaligen Archivs dadurch stark gefährdet ist, soll eine Stiftung gegründet werden und dazu sind Spenden nötig.

Auch wenn über das Thema in den letzten Wochen sogar in der taz, dem Spiegel und bei 3sat berichtet wurde, fehlen bis heute immernoch über 30000 € für die Gründung der Stiftung. Wäre schade, wenn dieses engagierte Projekt nicht fortgeführt werden könnte. Wie man spenden kann, steht beim Stiftungsaufruf auf der Seite des Archivs.

Eisenharte Enzyklopädisten

Ich bin gerade bei Andreas im Blog über den Eintrag Wikipedia im Löschwahn gestolpert und war einigermaßen überrascht, speziell auch, weil ich diese Löschgeschichte gerade in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der anderen aktuellen Löschgeschichte1 erwähnt habe.

Das hat beides zu extrem erstaunten Gesichtern geführt und ich war nun überrascht, dass nach den wirklich langen und auch öffentlichen Diskussionen im letzten Jahr2 die Wikipedianer anscheinend nichts dazu gelernt haben und immer noch munter löschen, was sie für irrelevant halten (oder wovon sie keine Ahnung haben). Meiner Meinung nach, widerspricht das komplett dem Sinn einer freien Enzyklopädie, aber lest Euch das mal bei Andreas durch, da steht das ausführlich und mit Links hinterfüttert.

Nachtrag: Oh, wenn man vom Teufel spricht, die Diskussion scheint doch noch nicht tot zu sein. Bei annalist im Blog grad eben den aktuellen Eintrag Qualifiziert über Wikipedia reden gesehen …

  1. Ja, das Depublizieren von Inhalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach der Änderung des Rundfunkstaatsvertrags zum 1.6.2010. Bitte mal in der ZEIT weiterlesen: Freie Archive für informierte Bürger! []
  2. siehe beispielsweise Folge 151 vom Chaosradio auf Radio Fritz! []

Warum ich kein Auto brauche

Die Diskussion, warum ich hier in Magdeburg kein eigenes Auto habe und auch keines brauche, hatte ich in den letzten Wochen öfter. Sehr schön zusammengefasst hat das jetzt Ben drüben bei »Anmut und Demut«:

Man kann damit Wasserkisten transportieren, die die Getränkeindustrie vermutlich in irgendeinem schmutzigen Tauschgeschäft mit der Autoindustrie extra erfunden hat, damit es für immerdar ein Totschlagargument gibt, ein Auto zu haben.

Ich lass das einfach mal so stehen. 😀

Muss der Staat den Bürger bemuttern?

Bevor das hier ganz in Vergessenheit gerät oder zu einem der nie veröffentlichten Entwürfe wird, weil ich das Buch, was am Ende empfohlen wird, gerade erst ausgelesen habe und weil die Bilder vom Urlaub immernoch nicht sortiert sind, ein Beitrag aus der politischen Ecke.1

Ausgangspunkt für diesen Entwurf war ein Beitrag auf heise online, nämlich: Bremer Grünen-Fraktionschef tritt weiterhin für “Grenzen im Internet” ein.

Es gehe in der Debatte um die Art und Weise, wie die Menschen vor der Darstellung von Gewalt, sexuellem Missbrauch und anderen Auswüchsen im Internet geschützt werden können.

Diese Debatte ist durchaus interessant und die Frage des rechtsfreien Raumes schnitt ich bereits hier im Blog an. Ein Punkt, den ich in der öffentlichen Debatte bisher schmerzlich vermisst habe ist ein eher eine psychologische Frage. Es geht ja um die Darstellung kinderpornographischer Inhalte und die Argumentation der Befürworter der Sperren geht dahin, dass die Leute vor diesen Inhalten geschützt werden müssen. Es ist beispielsweise die Rede von Zufallsfunden. Ich bewege mich seit nunmehr 10 Jahren beinahe täglich im Internet. Kein einziges Mal, bin ich zufällig auf derartige Bilder oder ähnliches gestoßen. Es interessiert mich auch überhaupt nicht, ich suche nicht danach und für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass ich dennoch mal auf solche Inhalte stoßen sollte, hätte nicht das geringste Interesse daran, mir das anzuschauen sondern würde das Fenster direkt wieder schließen. Jeder, den ich in den letzten Wochen mal dazu gefragt habe, sieht das genauso. Wieso muss also der Staat ein Stop-Schild vor etwas stellen, wonach ich nicht suche und was ich mir bei einem Zufallsfund gar nicht ansehen würde, weil es widerlich und abstoßend ist? Stattdessen erschwert er dadurch noch die polizeilichen Ermittlungen und ich stehe mit einem Bein im Knast, weil meine IP-Adresse natürlich aufgezeichnet wurde. Der Produzent des Dreckszeugs hingegen, lacht sich ins Fäustchen, weil er durch die »Adelung« mit dem Stopschild gewarnt ist. Und schlussendlich ist nicht sichergestellt, dass die Sperren, wenn sie einmal da sind, nicht doch für andere Inhalte missbraucht werden.

Die Frage nach der Bemutterung stellt sich auch an anderen Stellen, es geht quasi um die Mündigkeit des Bürgers.2 Wieviel Eigenverantwortung und somit auch Freiheit soll der Staat dem Bürger zugestehen, wieviel Vertrauen hat er?3 Und da sind wir dann bei dem eingangs erwähnten Buch: »Angriff auf die Freiheit« von Ilija Trojanow und Juli Zeh, das ich auf dem Flug aus dem Urlaub zurück nach Trondheim in Windeseile durchgelesen habe. Es fasst sehr schön die innenpolitische Situation in der sogenannten westlichen Welt nach 2001 zusammen, für die politisch interessierte Netzgemeinde nicht allzu viel neues, aber gut recherchiert und auch für Einsteiger in die Thematik gut geeignet, ich würde es quasi jedem meiner Leser hier empfehlen zu lesen.

Sehr angenehm war in diesem Zusammenhang übrigens auch Folge 135 vom Podcast »Chaosradio Express«: Mut zur Freiheit. Die beiden o.g. Autoren sind dort zu Gast bei Tim Pritlove und erzählen über ihre persönlichen Hintergründe und nur ein wenig über das Buch. Der Tenor der ganzen Sendung ist aber, dass wir die irrationalen Ängste, die von Medien, Innenminister und BKA-Chef geschürt werden, mit anderen Augen betrachten sollten. Ein Gesellschaft, die auf Freiheit, Vertrauen und Dialog basiert, ist allemal wünschenswerter als Angst, Neid und Misstrauen gegenüber anderen, egal ob zwischen den Bürgern oder zwischen Bürgern und Staat.

Mal wieder etwas konfus der Beitrag, aber ich wollte wenigstens die Empfehlungen für das Buch und den Podcast loswerden und einen Entwurf aus dem Ordner da rausbekommen. Ich schau jetzt noch eine Folge einer etwas optimistischeren und in vielen Dingen visionären Zukunft: Star Trek – The Next Generation. Live long and prosper!

.oO( Krieden, ich will endlich wieder Krieden… )

  1. Auch die Bundestagswahl wird wohl kurz erwähnt werden. []
  2. Wieso sprechen bestimmte Medien eigentlich bei dem Ergebnis der Bundestagswahl davon, dass die »bürgerlichen« Parteien gewonnen hätten. Sind die Wähler von Linke, Grünen und SPD etwa keine Bürger? []
  3. Passend dazu übrigens auch in meiner Linksammlung die beiden Links diese Woche zum Thema Unschuldsvermutung. []

Nur eine Nummer?

Die wirklich letzte Sache, die ich in Deutschland vor meinem Abflug nach Norwegen erledigte, war ein Protestschreiben gegen die Zuteilung der einheitlichen Steuernummer abzuschicken. Jeder Deutsche hat 2008 oder 2009 diese Nummer zugeteilt bekommen. Die ganze Geschichte wurde von verschiedenen Stellen aus stark kritisiert, wie auch heise online am 02.08.2008 schrieb: Bürgerrechtler rufen zu Klagen gegen die neue Steuernummer auf. Der Protest begründet sich auf Zweifeln an der Vereinbarkeit einer derartigen Personenkennzahl mit dem Grundgesetz. Schon im Mikrozensusurteil von 1969 hatte das Bundesverfassungsgericht solch ein Nummer abgelehnt und darauf in späteren Urteilen wiederholt hingewiesen. Diese Bedenken drücken sich beispielsweise im vielzitierten Volkszählungsurteil von 1983 aus. Mehr Informationen über die Steuer-ID selbst findet man beispielsweise auf den Seiten der Humanstischen Union.

Eine der ersten Sachen, die man in Norwegen machen muss, wenn man sich hier längere Zeit zum Leben und Arbeiten aufhält, ist zur Polizei und zum Folkeregister (Einwohnermeldeamt) zu gehen um eine Aufenthaltsbewillung und eine Personennummer zu beantragen. Diese Nummer wird in Norwegen häufig genutzt. Man braucht sie bei der Steuererklärung, um ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Handyvertrag zu bekommen, für Versicherungen oder im Krankenhaus – eben sehr häufig. Das hat schon eine etwas unfreiwillige Ironie.

Die Norweger scheinen damit kein großes Problem zu haben, es herrscht ein Vertrauen in die Behörden, das ich in der Form Deutschland nicht mehr habe. Die Probleme hier sind dann auch die selben wie bei uns, in England oder sonstwo: Norwegen: Steuerverwaltung verschickt ID-Nummern an Medien.

Letztendlich muss eine Gesellschaft abwägen, wie stark der Staat in die Privatsphäre des Bürgers eingreifen darf und wie stark der Datenschutz wertgeschätzt wird. In dieser Hinsicht war das vorläufige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung mit der Etablierung des neuen Grundrechts auf Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme wegweisend. In einer funktionierenden Gesellschaft, wo der Staat dem Bürger nicht misstraut und diese Integrität gewährleistet, mag solch eine Personennummer gerechtfertigt sein. Ich habe bei der ganzen Geschichte dennoch gewisse Bauchschmerzen.